Oder: Nichts ist im Verstand was nicht vorher in den Sinnen war.
Ob John Locke vor 300 Jahren in England dabei an Matschepampe gedacht hat? Egal, John Locke und ich meinen so ungefähr das Gleiche: Kinder wollen und sollen mit ihren Sinnen erleben! Zum Beispiel Zeit zum Matschen. Also richtig, im echten Leben, kein Tabletspiel oder so. Mit allen Sinnen: Fühl mal, riech mal, hör mal, guck mal! Schmeckt’s? (Mehr Infos zu den Sinnen gibt es weiter unten: Ein bisschen Ergotherapie-Fachsimpelei). Sommerzeit ist Matschzeit! Spielen im Matsch ist eins der Puzzleteilchen einer glücklichen Kindheit.
Sommerzeit, Erde, Sand und viel Wasser. Da gluckst mein Herz, beamt sich zurück in die Kindheit und fühlt, riecht, hört, sieht und schmeckt nur noch das eine: Babberatsch! (pfälzisch für MATSCH). Im Schatten unterm Baum, Loch gegraben, Wasser in Eimern geholt, gespielt…
Natur pur, Erde und Wasser
Ja, es hat niemand gestört, es gab keinen Ärger, die Kinder waren beschäftigt! Heute, okay, das passt nicht mehr so ganz in die vielen gestylten Gärten und Parks um uns herum. Es gibt sie aber noch, die Stellen mit Erde und Wasser: Im Wald, auf Wiesen, an Bächen, … rausgehn in die Natur, Picknick einpacken, alle sind glücklich!
Matschspiele Zuhause
Oder, wenn ihr zu den beneidenswerten Gartenbesitzern gehört, legt einen Kinderbereich (mit Wasserzugang und einem Haufen Sand) im Garten an: Die Kinderecke, wo mit Freunden gebuddelt, gematscht, gebaut, getobt werden kann, was das Zeug hält. Am besten gleich mit Büschen abgetrennt. Dafür gibt’s im Garten dann auch eine Tabuzone für die Spiele der Kids: Platz zum Chillen und Gärtnern für die Großen! Geht auch im Reihenhausgarten.
Im Spiel, im Flow
Die Kids, völlig vertieft in das, was da grade passiert – eine Rettungsaktion aus dem See – ich und meine Fotokamera sind komplett ausgeblendet. Jetzt sind sie mittendrin in ihrer Spielwelt. Alles kann passieren! „Oma, wir brauchen ein Rettungsboot!“ Zack, schon selbst entdeckt, ein Stück Rinde unterm Baum ist perfekt dafür! „Unser See läuft aus, mehr Wasser!“ Der Schlauch liegt bereit. Es kann weitergehen mit der Bootsfahrt. Freie, kreative, spielende Kinder. Es reicht Wasser, Sand und ein bisschen dies und das, was so rumliegt. Und ja, es braucht manchmal auch etwas Zeit, bis die Kids in dieses Spiel kommen, in diesen Flow. Die Gelegenheiten, wo sie ganz in Ruhe gelassen werden, sich dreckig machen dürfen, draußen sind, sind eher rar, oder?
Mit allen Sinnen. „Spielen ist wenn man richtig gut Spaß hat.“
Nass, kalt, rau, schwer fühlt sich dieser Matsch an. Matsch riecht anders als trockener Sand oder Erde. Matsch macht gluckernde Geräusche. Hinschauen, denn immer bewegt sich was. Und wie er sich im Mund anfühlt, schmeckt – klar kommt das mal vor 😉 Kids erleben ihre Welt zuallererst über ihre Sinne. Mit ‚richtig gut Spaß‘!
Alle Sinne arbeiten gleichzeitig zusammen. Sie sind die Basis der Wahrnehmung. Nur so entsteht eine Verbindung mit der Welt: Viele Infos über ALLE Sinneskanäle laufen hin zum Gehirn, werden verknüpft, Erfahrungen entstehen, werden abgespeichert, wieder mit neuen Wahrnehmungen verknüpft… so entwickeln sich mithilfe der Sinne Gefühle, Verhalten, Verständnis, Wissen, Intelligenz.
Übrigens: Beim Betrachten des Videos braucht ihr vor allem einen, den Seh-Sinn. Über Social Media, elektronische Medien etc. werden wir vor allem über unser visuelles System gepusht. Auch die Kids, wenn sie Stunden mit dem Tablet verbringen. Ziemlich einseitig. Für die Entwicklung.
Ein bisschen Ergotherapie-Fachsimpelei
Die klassischen 5 Sinne sind: Riechen, Schmecken, Sehen, Hören, Fühlen. Wir haben tatsächlich dazu noch 3 weitere Basissinne. die wir in der Ergotherapie als superwichtig ansehen:
- vestibuläre Wahrnehmung: Gleichgewichtssinn, verantwortlich für Körperhaltung und Orientierung im Raum um uns herum
- propriozeptive Wahrnehmung: Bewegungssinn und Körperempfindung, verantwortlich für das differenzierte Spüren des eigenen Körpers und aller Bewegungen
- taktile Wahrnehmung: gliedert sich in die vier Wahrnehmungsbereiche Berührungswahrnehmung (passiv), Tast-Wahrnehmung (aktiv), Temperaturwahrnehmung und Schmerzwahrnehmung.
Sich selber gut spüren, seinen Körper gut einschätzen können, sich sicher und geschickt bewegen können: Grundlagen für so vieles, was die Kids im Leben brauchen. In der Ergotherapie fangen wir genau da an mit den Kindern, bei der Selbstwahrnehmung. Und die Sinne, alle, spielen meistens die Hauptrolle!
Interessante Links
Keine Lust, mit den Kids rauszugehn? Zu kalt, zu nass draußen? Zu viel Arbeit drinnen? Oder einfach keine Energie? Dann schaut euch folgenden Beitrag von mir an: Eine Matschepampe-Alternative!
Buddeln in der Erde, auch ohne Wasser: Beim Spazierengehen Erde sammeln! Es gibt rote Lehmerde, gelbe Tonerde, braune krümelige, die dunkle aus dem Wald, die sandige am Hang… welche gibt es bei euch? Mit den selbst gesammelten Erden zuhause Malfarben mischen und mit den Händen damit auf großen Papieren oder Pappen malen. Hier geht’s zur Anleitung.
Coole Infos rund ums Matschen! Was ihr bestimmt noch nicht wusstet: In der Erde leben kleine Bakterien namens Mycobacterium vaccae. Wissenschaftlich erforscht ist: Sie stimulieren das Immunsystem der Kids, wenn sie buddeln und heben das Serotonin-Niveau im Gehirn an, ein Endorphin, das beruhigt.
Wenn ihr euren Garten zum Lieblingsspielplatz der Kids machen wollt, hier ein ultimativer Buchtipp: Christiane Widmayr, Anneliese Kompatscher, Kinder und Gärten, blv-Verlag. Nur noch gebraucht zu haben, da das Buch schon etwas älter ist. Es gibt nichts Besseres zum Thema!