Waldkinder! Naturkinder!

Im Waldkindergarten. Keine Türen, keine Wände.

Unsere Mädels, 5 und 3 Jahre alt, sind Waldkinder. Jeden Morgen um halb neun gehen sie zusammen mit allen Waldgruppenkindern und ihren Erzieherinnen den Weg vom Treffpunkt am Kindergarten im Dorf zu ihrem Bauwagen im Wald. Natürlich hier, im Pfälzer Wald bei Kaiserslautern. Im Schnitt laufen sie eine halbe Stunde über die Dorfstraße und den Feldweg, den Bollerwagen dabei, beladen mit Wasserkanister, den Rucksäcken und was sonst so mit muss. Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter, bei Sonnenschein, Regen, Wind und Schneegestöber – Ziel ist der Wald. Nur bei stürmischem Wetter bleiben sie in der Kita.

Diesen Winter haben wir schönen Schnee, aber es ist, wie überall jetzt, alles anders. Auch in der Waldgruppe. Wann geht es endlich wieder los?

Das Wetter am Morgen entscheidet über die Kleidung, wobei die Erzieherinnen klare Anweisung geben, was notwendig ist: im Sommer immer lange Ärmel, wegen den Zecken, bei Regen und Schnee immer Matschhosen und wasserfeste Stiefel. Wenn möglich, immer im Zwiebellook, hält im Winter am wärmsten, ist im Sommer am einfachsten. Und: ja keine Angst vor Dreck, liebe Eltern!

Am Bauwagen angekommen, wird ausgepackt, am großen Kindertisch im Freien gefrühstückt. Bei Regen, Schnee und Kälte auch mal im großen Bauwagen, wo ein Holzofen in der Ecke schön warm und gemütlich macht. Drin sind auch die Lagerregale für alles, was gebraucht wird: Bastel-, Mal-, Vorschulmaterial und andere wichtige Utensilien. Hinter dem Wagen zwischen den Bäumen gibt es kleine Bänke, Tische, liegen Bretter, gesammelte Äste, ein großer Sandhaufen ist auch da.

Alles Weitere bestimmt der Tag. Die Erzieherinnen Lissi, Maria und Frau Meise (Namen geändert) sind begeistert: „Jeder Tag im Wald ist anders! Der Wald hier ist ein riesiger Freiraum für die Kinder. Wir machen das tägliche Programm abhängig von der Zahl der Kinder, die da sind, vom Wetter, von den Vorschlägen und Bedürfnissen unserer Kinder und von den Möglichkeiten, die die Jahreszeiten bieten.“ Es werden lange Spaziergänge gemacht bis zu den kleinen Weihern unten im Tal. Die Kinder wollen bei schönem Wetter gerne zu ihrem ‚Sonnenparadies‘, einer kleinen Lichtung im Wald. Beliebt ist auch der Matschplatz, wo sich bei Regentagen das Wasser staut.

Die Sache mit den kleinen Geschäften zwischendurch haben die Kinder schnell gelernt, die Erzieherinnen kennen die Kniffe…

Bei den Touren werden heruntergefallene Äste, Hutzeln, Steinchen und andere wertvolle Schätze mitgenommen, könnte ja noch gebraucht werden zum Bauen später am Bauwagen!

Allerdings gibt es dabei Regeln, die sehr konsequent beachtet werden: Die Natur lebt! Wir helfen ihr dabei, am Leben zu bleiben. Wir behandeln alles, was lebt, mit Vorsicht und Respekt. Jede Pflanze, jeder Baum, jedes Tierchen, jedes Tier. Die Kinder bekommen liebevoll erklärt, wie die Natur funktioniert: auch ein kleines Stückchen Moos leistet seinen Beitrag für eine gesunde Erde! Die Kinder können sich im Wald austoben, aber mit Stöcken auf Bäume oder Pflanzen hauen ist tabu, nichts darf abgerissen oder aus der Erde gezogen werden. Auch lautes Schreien geht nicht, um Tiere nicht unnötig zu erschrecken.

„Wir sind wieder zu Hause!“ ist das schönste Geschenk für die Erzieherinnen, wenn die Kinder sich freuen, zurück zu sein. „Nach einem ein- bis zweistündigen Spaziergang durch das Gelände haben wirklich alle so viel Energie verbraucht, dass sie ruhig und ausgeglichen bei unserem Bauwagen ankommen. Der Wald drumherum ist hier ihr Zuhause, der Sicherheit gibt. Gequengele, Streitereien, Provokationen sind seltene Ausnahmen in der Gruppe. Tränen gibt es mal bei einem Sturz, aber eher bei den Kleinen, die neu dazu kommen. Nach etwa einem Jahr im Wald sind die Kinder körperlich so viel geschickter geworden, auch umsichtiger und sicherer. Sie erkennen besser eventuelle Gefahren und entwickeln eine sehr gute Einschätzung für sich selbst und das was sie können. Die Kinder erden sich hier!“

Die starke Präsenz der Erzieherinnen bei allen Aktivitäten ist bei meinem Tag in der Waldgruppe eine tolle Erfahrung: Die Kinder sind rundum betreut. Sie sind immer dabei, geben Impulse, setzen aber auch Grenzen. „Wir besprechen Verhaltensregeln, die sehr konsequent umgesetzt werden. Dabei sind auch die Kinder beteiligt. Alle achten aufeinander. Ein kleiner Wildfang wird eben besonders beobachtet, als schwierig fällt uns niemand auf.“

Ja, es wird gebaut, gebuddelt, konstruiert. Ideen werden besprochen, es wird ausprobiert, verändert – und das gemeinsam. Teamwork wird zu etwas Selbstverständlichem, denn nur so kann von der Bank bis zum großen Tisch eine Brücke aus Brettern und Stöcken gebaut werden, die stabil genug ist, um drüber zu laufen! Kleine Ingenieurinnen und Ingenieure beim Lernen! Ich bin beeindruckt. Lebhaft, lustig, intensiv vertieft in ihr Spiel und bei der Sache, aber auch tolerant und fair im Miteinander. Die Brücken-Konstruktion steht, ich freue mich richtig mit!

Als Ergotherapeutin liegt es mir am Herzen, Kinder zu begeistern, damit sie kreativ ihre Potentiale ausleben können. Wir bieten den Kindern in der Praxis Möglichkeiten, mit Selbstvertrauen Dinge anzupacken, auch wenn es mal anstrengend ist. Motorik, Körperkoordination, Sinneswahrnehmung, Sprachschatz ausbauen, soziale Kompetenzen, Aufmerksamkeit, Ausdauer und Konzentration, Nachdenken können, Selbstsicherheit: unsere Themen in der Therapie. Hier im Wald erlebe ich Kinder, die miteinander und voneinander genau diese Schätze erwerben.

Ich erzähle mit fröhlichen Erzieherinnen, die das ‚Waldleben‘ mit seinen oft herausfordernden Bedingungen nicht mehr eintauschen möchten gegen die tägliche Routine in der Kita, die überzeugt sind von dem Konzept der Waldgruppe. „Der Wald ist ein Freiraum, der alle Sinne anregt. Riechen, schmecken, sehen, hören, fühlen. Wir wissen aus Gesprächen mit unseren Grundschullehrerinnen hier, dass unsere Waldkinder bestens vorbereitet in die erste Klasse kommen.“ Motorische Funktionen sowie Wahrnehmungsfunktionen als Grundlagen für gute Aufmerksamkeit, Ausdauer und die Fähigkeit, sich zu konzentrieren werden optimal gefördert. Tagtäglich sind die Kinder in Bewegung, kreativ tätig, Muskeln werden im Spiel trainiert, Hand- und Körpergeschicklichkeit entwickelt sich. Nicht zu vergessen: „Die Kinder sind viel seltener krank als andere Kitakinder.“ Ein rücksichtsvoller Umgang mit anderen und der Umwelt, und eine – altersentsprechende – Selbständigkeit wird zur Gewohnheit.

Um halb zwei geht es als Gruppe zurück ins Dorf, wo die Kinder an einem festen Treffpunkt von Papa, Mama, Oma, Opa oder Geschwistern abgeholt werden. Auspacken aus den Waldkleidern, waschen und was Gutes essen, danach erst mal Ruhe und Nichtstun, das wünscht sich die Erzieherin und Gruppenleiterin Maria für ihre Waldkinder. „Die Kinder sollen sich nach den fünf Stunden im Wald langweilen können, das macht gar nichts! So viele Erlebnisse, neue Sinneseindrücke, Körpererfahrungen, das muss integriert werden.“ Gibt es einen schöneren Tag? Ich weiß es von meinen Mädels: sie lieben ihre Tage im Wald!

Wenn ihr euch weiter über Waldgruppen in Kitas und Waldkindergärten informieren wollt, solltet ihr die Website des Bundesverbands der Natur- und Waldkindergärten in Deutschland e.V.  anschauen:

https://www.bvnw.de

Diese Angebote von Waldkindergärten und Waldgruppen in Kitas gibt es in und um Kaiserslautern:

  • Waldkindergarten Kaiserslautern e. V.   

https://www.waldkindergarten-kaiserslautern.de

  • Waldgruppe der protestantischen Kita Morlautern  

Mail: kita-morlautern@evkirchepfalz.de

  • Waldkindergarten „Elfetrippelsche“

Neumühle, 67728 Münchweiler/Alsenz

  • Waldkindergarten “ Zum Gänsebrünnchen“

Geldlochhütte, Blüchersteig, 67677 Enkenbach-Alsenborn

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